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26.04.2024

Zu selten im Blick, zu oft vergessen: ältere Menschen besser vor Glücksspielsucht schützen

Blienert: „Wir brauchen mehr Wissen zu Risikofaktoren und was wirklich in der Prävention gegen riskantes Glücksspiel wirkt.“

Glücksspiel und vor allem die Sucht nach dem Spiel kann jeden treffen. Dass auch ältere Menschen gerne einmal zocken und warum, zeigt nun ein neuer Überblick zu Glücksspiel in fortgeschrittenen Lebensphasen. Im Lambertus-Verlag ist gerade das Buch „Glücksspielprobleme im Alter“ von Dr. Tobias Hayer und Dr. Jens Kalke erschienen. Die beiden renommierten Forscher haben in dem Herausgeberband neue Erkenntnisse zusammengefasst und Handlungsempfehlungen für die Praxis formuliert.

Anhand der neuen Studienergebnisse bekräftigt der Beauftragte der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen Burkhard Blienert: „Es ist immens wichtig, jederzeit alle Menschen und jeden Alters im Blick zu behalten. Umso wertvoller sind die jetzt vorliegenden Daten zu älteren Glücksspielenden. Die Gewissheit ist gut, dass ein höheres Lebensalter kein auslösendes Moment für dauerhaftes Glücksspiel ist. Besonders gefährdet sind aber vor allem jüngere Männer durch ein riskantes Wetten beim Sport. Dennoch sehen wir auch, dass durch Einsamkeit, viel freie Zeit und keine sinnstiftende Aufgabe oder gar Langeweile eine Sucht entstehen kann. Hier müssen wir jedes Alter passgenauer vor den unterschiedlichen Formen des Glücksspiels schützen: junge Menschen eher vor allem vor Sportwetten und ältere eher vor dem Automatenspiel. Um jedoch auch konkrete Angebote zu konzipieren, die bei den hilfesuchenden Menschen ankommen, benötigen wir verlässliche Daten und deshalb mehr Forschung im gesamten Glücksspielbereich. Wir brauchen mehr Wissen zu Risikofaktoren und was wirklich in der Prävention wirkt. Wir müssen uns zudem noch viel genauer die Auswirkungen von Werbung und den digitalen Glücksspielangeboten anschauen.“

Auch wenn wissenschaftlich bestätigt ist, dass der klassische pathologische Glücksspieler jung und männlich ist sowie einen Migrationshintergrund aufweist, verzocken durchaus auch ältere Menschen all ihr Hab und Gut. Sie stehen jedoch oft gar nicht im Fokus, wenn es um die rund 1,3 Millionen Menschen in Deutschland mit einer Glücksspielstörung geht. Gründe für die Neigung zum Glücksspiel im Alter sind sowohl Einsamkeit als auch weniger soziale Teilhabe und der Umgang mit Verlustereignissen. Die meisten Älteren haben schon vor dem 60. Lebensjahr regelmäßig gespielt. Konkrete Hilfe- und Beratungsangebote für Ältere gibt es nur wenige, da die bisherige Studienlage über Glücksspielende ab 60-Plus dünn ist.

Wirksame Mittel zum Schutz der Bevölkerung sind unter anderem eine striktere Beschränkung und Begrenzungen von Glücksspiel unter anderem durch deutlich weniger Werbung im Fernsehen und Internet sowie im Profisport auf Stadionbanden und Trikots. Wichtig ist dem Bundesbeauftragten auch, „für die Zukunft vorzubauen und bereits junge Menschen zu stärken und bislang als nicht riskant eingestufte Spielangebote wie zum Beispiel Computerspiele mit Lootboxen stärker zu regulieren“.

Zudem werden spezielle Präventionsangebote für ältere Menschen gebraucht. Der Bevölkerungsanteil wächst, dem müsse ebenfalls Rechnung getragen werden. Aus Sicht des Bundesdrogenbeauftragten habe die Suchtprävention und die Suchthilfe hier bei allen Themenfeldern Nachholbedarf: Es werde immer wichtiger, ältere Menschen nicht zu vergessen! Auf kommunaler Ebene bedarf es alters-, kultur- oder bedarfsspezifisch und möglichst inklusiv ausgestalteter Angebote, die sich speziell an Ältere richten. Hierzu zählen unter anderem Flyer in Pflegeheimen, die auch gut von Menschen mit eingeschränkter Sicht gelesen werden können. Auch Kooperationen zwischen Suchthilfe und altersspezifischen Hilfen etwa als Schulungen für Pflegepersonal oder Mediziner*innen in Richtung Glücksspielsucht-Früherkennung sowie -Frühintervention sind denkbar.

Abschließend stellen die beiden Autoren in ihrem Buch einige Überlegungen zu weiteren Forschungsbedarfen an. „Unterschiedliche Lebenssituationen im Seniorenalter legen grundsätzlich interdisziplinäre Forschungskooperationen zwischen geriatrischer und Suchtforschung nahe. Zudem sollte sich zukünftige Forschung verstärkt dem Thema Online-Glücksspiel und den damit assoziierten Suchtrisiken und Folgeschäden im Alter widmen“, so Tobias Hayer und Jens Kalke.

Weitere Informationen zum Projekt „Glücksspielsucht im Alter“ sind unter

https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/publikationen/details/gluecksspielsucht-im-alter-risikobedingungen-entwicklungsverlaeufe-und-praeventionsansaetze-ga-rep.html

abrufbar.